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Triathlon ist mehr als – Paris 2024 – mehr als historisch

By August 8, 2024August 12th, 2024Triathlon ist mehr als

Der Blog über die Hintergründe des Elitetriathlons – von Gerald Dygryn

Der olympische Triathlon in Paris 2024

Im Triathlon gibt es auf den kurzen Distanzen viele unterschiedliche Rennkategorien, bei denen man unterschiedlich hohe Punkte für die Weltrangliste sammeln kann. Nicht jeder Sieg bedeutet das Gleiche, nicht jedes Starterfeld ist in Qualität und Quantität zu vergleichen. So gibt es bei Afrikacup-Rennen teilweise weniger als zehn Starter*innen und Laufzeiten von 25 Minuten und mehr auf der Sprintdistanz bei den Damen. Nationen mit großen finanziellen Mitteln können diese Rennen nutzen, um relativ einfach Punkte für die Weltrangliste und nach außen gut zu verkaufende Ergebnisse zu sammeln. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, bei stärker besetzten Rennen an der Startliste zu stehen und eventuell dann Punkte für die Olympiaqualifikation zu erhaschen. Diese gibt es nur bei Kontinentalmeisterschaften, Weltcuprennen und der WM Serie.

Meine persönliche Einteilung der Rennen nach Stärke des Feldes:

  • Kontinentalcup Rennen außerhalb Europas
  • Kontinentalmeisterschaften außerhalb Europas
  • Europacuprennen
  • Eurogames
  • Weltcup-Rennen und Europameisterschaften
  • Weltmeisterschaftsserie

Besonders groß und nach außen schwierig zu kommunizieren, ist der große qualitative Unterschied zwischen den Weltcup-Rennen und der WM-Serie. In den meisten Sportarten wird die höchste Kategorie der Wettkämpfe als Weltcup bezeichnet. Im Triathlon ist ein Top 30 Platz in einem Rennen der WM Serie ungefähr mit einem Top 10 im Weltcup zu vergleichen. Leider bildet sich das in den Punkten für die Weltrangliste und die Olympiaqualifikation nicht ab und leider gibt es dann auch Missverständnisse in der Berichterstattung.

Warum diese Erklärung in einem Bericht über die Olympischen Spiele? Weil über allem und zwar weit über allem in der Qualität eines Rennens definitiv die Olympischen Spiele stehen. Nirgends sonst sind wirklich die Allerbesten am Start, nirgends sonst sind diese in einer einzigartigen Form und nirgends sonst zeigt sich so deutlich der Unterschied zwischen der absoluten Elite des Sports und jenen, die es gerade noch geschafft haben, dabei zu sein. Und genau das macht ja auch die Faszination von Olympia aus. Auf der einen Seite sollen sich die Besten der Besten messen und auf der anderen Seite sollen so viele Nationen wie möglich zu den Spielen gebracht werden und das ursprüngliche Motto von “dabei sein ist alles” nicht vergessen werden. Der Weltverband schafft diesen Spagat durch eine “bereinigte” Olympiarangliste. Bis Platz 30 dürfen die Nationen 3 Starter*innen im Feld haben, danach dann nur mehr maximal zwei. Zusätzlich gibt es zwei Einladungsplätze und fünf “new flags”, bei denen von jedem Kontinent Nationen nachrücken, die davor noch nicht in der Rangliste vorkamen.

Wer aber jemals direkt bei Olympia war, wer jemals direkt das Mindset der Champions sehen und erleben durfte, der spürt einfach, wie sehr sich die Schere im Sport dadurch öffnen kann. Und genau das war auch 2024 zu bemerken. Doch bevor wir zu den Rennen kommen, eine kleine Bemerkung zur Location.

Paris – immer eine Reise wert

Nach Sydney, Athen, Peking, London, Rio und Tokio war diesmal mit Paris eine weitere Weltstadt Ausrichter für den Olympischen Triathlon und man darf sagen, dass es wahrscheinlich noch nie gelungen ist, unseren Sport derart großartig zu präsentieren. Die Premiere vor der Oper von Sydney 2000 kam als Einziges in die Nähe dieser Publicity, aber die Wechselzone auf einer der bekanntesten Brücken der Stadt (Pont Alexandre III.), die Ausflüge am Rad auf die Champs de Élysée und am Musee d´Orsay vorbei sowie der Zieleinlauf mit dem Invalidendom im Hintergrund, waren einfach einzigartig. Weltweit bekannte Wahrzeichen und unser Sport im Mittelpunkt. Und da war noch etwas: das Schwimmen in der Seine. Genug wurde darüber in allen Medien diskutiert. Zusammenfassend muss ich aber sagen, dass mir nur ein Fall von 110 Starter*innen bekannt ist, bei der Probleme aufgetreten sind (Claire Michel aus Belgien), die aber nicht auf E.coli zurückzuführen sind, und dass auf der anderen Seite das Schwimmen durch die Strömung und die Vorbereitung darauf eine noch größere Bedeutung für die erste Disziplin und eine große Herausforderung für alle Nationen darstellte. Eine Herausforderung, die aus meiner Sicht durchaus olympiawürdig war.

Das Damenrennen

Zur ursprünglich geplanten Startzeit sprangen die 55 qualifizierten Frauen mit der Strömung in die Seine. Das Wetter war bewölkt und nach einigen trockenen Tagen regnete es leicht. Selten zuvor war die Position der Startplätze so bedeutend und so kam es auch, dass die besten Zehn sich durchwegs für die Startplätze 20-29 entschieden hatten. Dort, wo vor den Rennen die stärkste Strömung vermutet wurde. Je weiter hinten im Olympiaranking umso weniger Wahl hat man bei der Pontoonentscheidung und so mussten sich leider die österreichischen Starterinnen relativ weit links auf Platz 44 (Hauser) und 47 (Perterer) platzieren. Von Beginn an gab es dort also auch weniger Strömung.

Das Schwimmen entwickelte sich dann wirklich zu einem sichtbaren Kampf. Vor allem quer zur und gegen die Strömung war es wie in einem Strömungskanal. Am besten auf die Situation vorbereitet schien Flora Duffy (BER). Die Olympiasiegerin von Tokio zeigte ihre Stärke und bei ihren fünften Spielen auch ihre Erfahrung. Sie dominierte das Schwimmen und stieg vor den eigentlich stärker einzuschätzenden Athletinnen Seregni (ITA), Lopes (BRA), Kingma (NED), Potter (GB) und Beaugrand (FRA) aus dem Wasser. Auch die deutschen Medaillenfavoritinnen Tertsch (13) und Lindemann (14) stiegen etwas weiter hinten aus dem Wasser als erwartet. Tertsch nutzte aber schon beim Weg in die Wechselzone ihre immense Laufstärke. Sie wechselte als Schnellste und schaffte es in die erste Gruppe, die nun aus den meisten Favoritinnen bestand, aber hinter der zuerst allein fahrenden Duffy hereilte.

Was nun folgte, war so schade wie rennentscheidend. Die regennassen Straßen wurden durch den Staub der heißen Tage zuvor unglaublich glitschig und eine Vielzahl von Athletinnen waren davon betroffen. Vier Damen mussten aufgrund der Stürze aufgeben, darunter die starke Luxemburgerin Lehair. Einige aussichtsreiche Medaillenkandidatinnen mussten dadurch auf eine gute Platzierung verzichten. Gerade die schon erwähnten Lindemann und Tertsch wären am Ende sicher für eine Medaille gut gewesen. Beide rutschten aber aus und beendeten das Rennen dennoch als 8. bzw. 9.

Unbeirrt von diesen Schwierigkeiten zeigte sich hingegen die Schweizerin Julie Derron. Sie machte durch zwei Siege im Juni bei 70.3 Rennen auf sich aufmerksam und zeigte, dass auch diese ungewohnte Vorbereitung Früchte tragen kann. Mit ihrer Radstärke führte sie die zweite Verfolgergruppe heran und war dadurch und aufgrund ihrer Laufstärke auf einmal eine Mitfavoritin.

Kaum vom Rad abgestiegen, fing das obligatorische Ausscheidungsrennen vor zehntausenden sportverrückten Fans statt. Die Medaillengewinnerinnen aus 2021 Duffy und Georgia Taylor-Brown konnten das hohe Tempo des Führungsquartetts nicht ganz mitgehen und wurden am Ende Fünfte und Sechste. Eine unglaubliche Leistung, wenn man die persönlichen und verletzungsbedingten Geschichten der beiden in den letzten Jahren kennt. Vorne hingegen wussten Emma Lombardi (FRA), Beth Potter, Julie Derron und Cassandre Beaugrand, dass eine von ihnen die Medaillen betreffend am Ende leer ausgehen würde. Die Schweizerin zeigte sich ständig in Front. Später erzählte sie, dass sie nicht wusste, warum sie so viel Führungsarbeit geleistet hatte, aber sich einfach unendlich stark fühlte. Als sie das Tempo noch ein wenig erhöhte, verlor Lombardi den Anschluss, während die zweite Französin an der Spitze, Beaugrand, sich früher als erwartet nach vorne löste. Mit 32:42 lief sie die schnellste Laufzeit – auch die schnellste je bei Olympia gerannte Damenzeit – und kürte sich zu Hause zur ersten französischen Olympiasiegerin der Geschichte. Im Ziel fiel der ganze Druck von ihr ab und dennoch konnte sie es lange nicht glauben. Derron setzte sich im Sprint gegen Potter durch. Die Britin schien schon bei den letzten Rennen ein wenig “over the top”, ein wenig ausgereizt. Aber für die überlegene Triathletin der Saison 2023 ist die Bronzemedaille sicher dennoch ein großer Erfolg, war sie 2016 doch noch als Läuferin in Rio am Start. Derron konnte die große Tradition der Schweiz mit der fünften Medaille bei den Damen fortsetzen und erfüllte sich dadurch einen Kindheitstraum.

Die österreichischen Damen

Für Österreich waren zwei routinierte Athletinnen am Start. Die Wienerin Julia Hauser (Jg 94) startete bei ihren dritten Olympischen Spielen. Während sie in Rio aufgrund der kurzfristigen Absage Perterers spät nachrückte und überrundet wurde, musste sie in Tokio kurz nach dem Schwimmen aussteigen. Für Paris war also das vorrangige Ziel, diesen olympischen “Fluch” abzulegen. Leider war die Vorbereitung alles andere als ideal. Nach einer Erkrankung ihres Trainers Ron Schmidt, wo sie mit Laura Lindemann trainierte, wechselte sie im Sommer 2023 zu zwei Wiener Trainern. Diese Zusammenarbeit versprach aber nicht das, was sich Julia erhoffte, und so wechselte sie nach absteigender Form, wenig erfolgreichen Ergebnissen und einem DNF beim Weltcuprennen in Chengdu zum Schweizer Nationaltrainer Jordi Meulenberg. Häufige Trainer*innenwechsel sind im Ausdauersport meistens nicht von Erfolg gekrönt und so stand schon vor Beginn des Rennens ein Fragezeichen hinter der Form der Wienerin.

Die Kärtnerin Lisa Perterer (Jg 91) konnte sich zum vierten Mal für Olympische Spiele qualifizieren. In London (2012) wurde sie 48., in Rio konnte sie verletzungsbedingt nicht antreten, in Tokio dann mit Platz 27 zuerst das beste Ergebnis, dann aber leider der medizinisch bedingte Ausfall vor der Staffel, die dadurch nicht antreten konnte. Aufgrund ihrer Platzierung in der Weltrangliste musste sie in den letzen Wochen vor den Spielen noch extreme Reise- und Wettkampfstrapazen auf sich nehmen, um sich den Startplatz zu sichern. Ein kleiner Auszug davon:

  • 9.3. Abu Dhabi – Rennabsage der WM Serie
  • 17.3 Americas Cup Barbados (Platz 1 im America Cup Rennen)
  • 20.4. WC Wollogong (Australien) – Platz 12
  • 29.4. WC Chengdu (China) – Platz 11
  • 11.5. WM Serie Yokohama (Japan) inkl. Heimreise dazwischen – Platz 30
  • 17./18.5. WC und Staffel in Huatulco (Mexiko) – Platz 13, bzw Platz 5 von 6 Staffeln
  • 25.5. WM Serie Cagliari (Italien) – Platz 41

Bei dieser Aufzählung sieht man die unglaublichen Strapazen, die auf eine Athletin zukommen, die aber natürlich in all der Zeit auch auf wichtige Trainingszeit verzichten muss. Man sieht aber auch die hohen Kosten, die Verband und Athletin investieren müssen, und den von mir anfangs erwähnten Unterschied in den Platzierungen je nach Rennkategorie. Im Unterschied dazu hat zum Beispiel die Olympiasiegerin Beaugrand vor den Spielen, inklusive der sehr kurzen E World Championships, nur vier Rennen bestritten. Dabei hat sie Europa nie verlassen und sogar auf die Staffel in Hamburg verzichtet.

Das Rennen um gute Platzierungen war für die österreichischen Damen leider aber mit dem Startsprung schon beinahe vorbei. Hauser stieg als 45. mit 2 min 36 Rückstand und Perterer gar als 53. (5 min 47 Rückstand) aus dem Wasser. Überraschend war die Aussage Perterers nach dem Rennen, noch nie zuvor in einem Fluss geschwommen zu sein. Leider sind bei solchen Abständen auch meist die guten Radfahrerinnen schon enteilt und so verloren die Österreicherinnen auch am Rad, allerdings im Vergleich zum Schwimmen mit 90 – 120 Sekunden wesentlich weniger, was den Kampfgeist der beiden zeigt. Mit der beachtlichen 18. besten Laufzeit (34:55, 2 min 13 Rückstand) und einer Verbesserung um 13 Plätze kam Hauser als 32. ins Ziel. Perterer hingegen konnte aussichtslos hinten liegend mit 37:41 am Ende nur Platz 50 belegen.

Das Herrenrennen

Ursprünglich am Tag davor vorgesehen, mussten sich die Herren bestmöglich mit einer Verschiebung des Rennstarts um einen Tag und 2h45 einstellen. Wer weiß, wie genau Tageszeit, Rückkehr von der Höhe und anderes in den Trainingsplan muteinbezogen werden, der weiß, dass dies für wenig flexible Sportler zu einem Problem werden kann. Die Straßen waren dafür schon aufgetrocknet und jeder wartete nun auf die Duelle Wilde vs Yee oder Blummenfelt vs Franzosen.

Die größere Dichte bei den Herren half beim Schwimmen gegen die Strömung, weil der Wasserschatten da noch mehr von Vorteil ist und so kam es nicht zu einer so deutlichen Aufteilung wie bei den Damen. Als erster erreicht der Italiener Crociani wieder Boden unter den Füßen. Die meisten der Favoriten fanden sich in der ersten Radgruppe wieder, die sich vor den wenigen, die es dann doch nicht schafften, erwehren wollten und ein sehr hohes Tempo anschlugen. Hayden Wilde (NZL, 1min03 Rückstand), Kristian Blummenfelt (NOR, 50 Sekunden Rückstand) und Vasco Vilaca (POR, 53 Sekunden zurück) waren aber stark genug, um mit Hilfe des Österreichers Tjebbe Kaindl dann doch den Anschluss zu schaffen. Dabei schafften der Ungar Csongor Lehmann und der Kanadier Charles Paquet mit 51:16 min auch die schnellste je bei Olympia gefahrene Radzeit.

Danach kam es auch bei den Herren zu einem Ausscheidungsrennen, dachte man. Es kam aber anders. Hayden Wilde übernahm überraschend schnell und mit einer Uhr als Pacer “bewaffnet” die Führung und setzte sich bis maximal 14 Sekunden vor den Briten Yee. Dahinter das französische Paar Le Corre und Bergere, gefolgt von den Portugiesen Vilaca und Batista. Nachdem Bergere sich einen Kilometer vor Ende von Le Corte absetzen konnte, glaubte man, dass der Kampf um die Medaillen entscheiden wäre, aber Yee bekam die zweite Luft und holte auf 400m 14 Sekunden auf. Er lief an dem Neuseeländer kampflos vorbei und krönte sich nach der Silbermedaille 2021 bei seinem zweiten Antritt zum Olympiasieger. Seine langsamer als erwartete Laufzeit von 29:47 Minuten waren auch um 40 Sekunden langsamer als die bisherige Bestzeit Brownlees aus London 2012. Das harte Radfahren zeigte seine Konsequenzen. Wilde schien sich mehr über den Sieg seines Freundes und Zimmerkollegen zu freuen, als über den verpassten Sieg enttäuscht zu sein, während Bergere das einheimische Publikum mit einer weiteren Medaille verwöhnen durfte.

Die österreichischen Herren

Schon im Vorfeld war klar, dass unsere männlichen Starter Luis Knabl und Tjebbe Kaindl bessere Schwimmer als ihre weiblichen Kolleginnen sind. Der Tiroler Knabl hat nach Tokio und seiner sturzbedingten Aufgabe sein Umfeld neuerlich auf den Kopf gestellt und ist mit der Eingliederung in die Trainingsgruppe um Joe Filiol einen weiteren Schritt in Richtung Professionalität gegangen. Er teilt sich in Girona eine Wohnung mit einem weiteren Österreicher, Martin Demuth, und befindet sich praktisch das ganze Jahr auf Camp. Für den jungen Tiroler und Spross der JOL Dynastie Tjebbe Kaindl war es bis zum Schluss denkbar knapp mit der Qualifikation. Für ihn galt es Erfahrung für das große Ziel, Los Angeles 2028 zu sammeln.

Was die beiden in Paris zeigten, war aber mehr als erfreulich. Knabl war im Wasser mit der Weltspitze unterwegs, aber anstatt wie oft zuvor sich danach im Feld zu verstecken, war er am Rad unglaublich aktiv und tat alles, um den Anschluss der Gruppe dahinter zu verhindern. Für ihn war schade, dass Kaindl schnell erkannte, wie wichtig es war die Gruppe mit Wilde und Blummenfelt zu erwischen und tatkräftig dabei half, das von Knabl erwünschte Loch zu schließen. Doch auch nach dem Zusammenschluss der Gruppen zeigten sich beide aktiv und die Freude und der Ehrgeiz bei dem größten Rennen der Welt was Großes zu erreichen, war ihnen ins Gesicht geschrieben.

Knabl wurde am Ende mit einer Laufzeit von 32:33 (2 min 46 Rückstand) 23. und erreichte die beste Platzierung eines männlichen österreichischen Athleten bei Olympia. Kaindl musste der ungestümen Vorgehensweise am Rad beim Laufen Tribut zollen. Eine Laufzeit von 35:08 (5 min 21 Rückstand zur besten Laufzeit) brachte ihn auf Rang 33 und viel Erfahrung für die nächsten Olympischen Spiele.

Die Mixed Relay

Zum zweiten Mal war das Staffelrennen auch Teil des Olympischen Programmes. Elf Nationen konnten sich direkt über ein Staffelranking qualifizieren. Weiters durften alle Nationen mit je zwei Starter*innen eine Staffel stellen. So auch Österreich. Bei der Staffel sind aus meiner Sicht zwei Dinge relevant und augenscheinlich. Erstens ist es wichtig, so lange wie möglich Kontakt zur Spitze oder einer Gruppe zu halten und zweitens zeigt sich wie sonst selten, dass es vor allem auf den hinteren Startpositionen Triathlet*innen bedarf, die besondere Stärken haben. Es gilt also am Anfang dranzubleiben und danach eventuell aufbrechende Lücken mit enormen Aufwand zu schließen.

Im Unterschied zu Tokio begannen diesmal die Herren und kurz vor Ende der zwei Runden und sieben Kilometer langen Radstrecke waren alle 16 Nationen zusammen. Bei der letzen Kehrwende kam es jedoch zu einem vorentscheidenden Sturz. Hayden Wilde, der überraschend als erster der Neuseeländer startete, rutschte aus und riss den Franzosen Le Corre mit. Da Le Corre auch beim abschließenden Lauf über 1,8 km überraschend viel Zeit verlor, waren die Franzosen nach Ende der ersten Gruppe schon 40 Sekunden zurück.

Leider verlor auch der Starttriathlet der Österreicher Knabl 35 Sekunden beim Lauf und damit den Anschluss an die Spitze. Da auch Wilde das durch den Sturz entstehende Loch  nicht schließen konnte und auch langsamer lief als erwartet, mussten drei Damen das Rennen von Beginn an als Einzelrennen bestreiten. Van der Kaay (NZL), Emma Lombardi (FRA) und die Österreicherin Julia Hauser.

Vorne entwickelte sich ein heißer Kampf mit dem Ziel die großen Favorit*innen aus Frankreich nicht mehr nach vorne kommen zu lassen. Herauszuhebende Einzelleistungen: die unglaublich stark radelnde Britin Taylor Brown, die sich die ganze Gruppe dahinter im zweiten leg vom Leib halten konnte, bis die Deutsche Lisa Tertsch dann durch einen unfassbar starken Lauf doch die Deutschen in Führung brachte. Auch der Brite Dickinson, der am Ende des dritten Laufes eine Lücke zum deutschen Lasse Lührs reißen konnte und damit auch den Amerikaner*innen ungewollt half. Beim abschließenden vierten Teil sprang also zuerst Beth Potter ein paar Sekunden vor Laura Lindemann ins Wasser. Danach die US Amerikanerin Taylor Knibb, die ein sehr starkes Schwimmen über die für sie doch kurze Distanz von 300m zeigte und beinahe die Lücke zu Lindemann im Wasser schloss. Potter machte sich allein auf die Flucht nach vorne. Lindemann hingegen machte am Rad die konzentrierteste und klügste Entscheidung dieses Rennens. Anstatt kopflos nach vorne zu Potter zu preschen, wusste sie um die immense Radstärke Knibbs und wartete etwas auf die US Amerikanerin. Aber nicht nur das. Sie wusste, dass Knibb angreifen würde, um alleine zu Potter zu fahren, hatte also den Blick immer auf diese gerichtet und konnte beide Attacken mitgehen. So machten sich also die beiden gemeinsam auf Verfolgungsjagd und schafften auch den Anschluss. Drei Damen kamen also gemeinsam zum Lauf. Potter von Beginn an immer vier bis sechs Meter hinter den beiden anderen. Kurz vor Ende schloss aber auch sie auf und es kam zu einem unglaublich spannenden Sprint, den die deutsche Lindemann, vor Knibb und Potter für sich entscheiden konnte.

Die Österreicher*innen waren in der Zwischenzeit bereits überrundet (während die letzte Starterin Perterer im Wasser war, hatten die Führenden schon eine Radrunde hinter sich gebracht) und wurden als einziges Team aus der Wertung genommen. Aus zwei Staffelqualifikationen bei beiden Spielen wurde also ein DNS und ein LAP. Interessant aber natürlich die Einzelleistungen. Umso mehr, wenn man sie mit den ebenfalls weit zurückliegenden Französ*innen vergleichen kann, die auch das Rennen großteils alleine bestreiten mussten und am Ende hervorragende Vierte wurden. Unten die Zeiten der jeweils besten Position, dann die Österreicher*innen und die Französ*innen. Das in Klammer stehende A oder G steht für das Bestreiten des Rennens in der Gruppe oder alleine

Leg 1 – Bestzeiten: 4:03 (ESP)-9:24 (SUI-G)-4:44 (GB) // KNABL:: 4:10-9:37(G)-5:19

Leg 2: Bestzeiten: 4:54 (GB)-10:21 (BRA-G) 10:40 (A)-5:24 (GER) // HAUSER: 5:36-11:49(A)-6:14 // LOMBARDI: 4:57-10:50(A)-5:39

Leg 3: Bestzeiten: 4:14 (ITA)-9:31(POR-G)-4:58(GB) // KAINDL: 5:02/10:15(A)-5:37 // BERGERE: 4:23/9:32(zu zweit)/5:02

Leg 4 Bestzeiten: 4:50 (USA)-10:08(USA-praktisch A)-5:34 // PERTERER: 6:01 – LAPPED // BEAUGRAND: 5:13/10:19/5:37!!

Hier alle Ergebnisse:

https://triathlon.org/results/result/paris_2024_olympic_games

Zusammenfassung

Olympische Spiele sind der wohl wichtigste Triathlon für die Elite unseres Sports. Nirgends gibt es eine größere Aufmerksamkeit. Neben den unzähligen Fans an der Strecke läuft das Programm auch auf den großen öffentlich rechtlichen Sendern wie zum Beispiel dem ORF, der nur umsteigt, wenn andere heimische Athlet*innen am Start sind. Für keinen anderen Wettkampf betreiben Verbände und Athlet*innen einen derart großen Aufwand und der Titel des/der Olympiasieger*in ist ewig bleibend. Gleichzeitig ist es eine Frage der Zielsetzung und Ausrichtung, ob das Ziel von Verbänden und Athlet*innen die Teilnahme an diesem weltgrößten Sportevent darstellt oder der größtmögliche Erfolg ebendort. Ein Unterschied, der sich zumeist bei den Rennen selbst dann mehr oder weniger deutlich darstellt. Aus meiner Sicht wäre es nun wie immer am Ende eines derartigen Events wichtig, eine sorgfältige und neutrale Analyse zu betreiben, genau diese Zielstellung für die nächsten vier bis acht Jahre zu definieren und sich dann mit möglichst viel Expertise an die Arbeit zu machen, um das Ziel bestmöglich zu erreichen. Aber eines ist so oder so sicher: Triathlon ist einfach geil.

Der Autor ist Gründer und CEO von GDT Sportconsulting. Die Firma betreibt eine Schwimmschule in Wien und Umgebung (www.gdt.at) und bietet individuelle Trainingspläne für jedes Level, sowie Camps und Workshops an (www.triathlonwerkstatt.at). Außerdem ist Gerald Dygryn Performance Coach eines jungen Teams und für den ORF als Experte bei Triathlon Großereignissen tätig

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