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Triathlon ist mehr als – Nach Olympia ist vor der WM – WTCS Weihai

Der Blog über die Hintergründe des Elitetriathlons – von Gerald Dygryn

WTCS – Weihai

Nach Olympia hatten die Player der Szene unterschiedliche Ziele. Manche machten Urlaub, manche strampelten sich in der Profiszene der Superleague ab und andere versuchten ihr Glück auf der Mitteldistanz. Einige bereiteten sich aber auch im Stillen auf die letzten beiden Rennen der WM Serie vor.

Sechs Rennen waren dort ursprünglich geplant. Nach der wetterbedingten Absage von Abu Dhabi im Mai, blieben Yokohama, Cagliari, Hamburg, Weihai und das Finale in Andalusien über. Aufgrund der Vorbereitung auf Olympia waren die Rennen zwar immer stark, aber nie komplett besetzt. Dennoch ist der WM Titel ein hohes Ziel und die, die nicht in der Lage sind ihn zu ergattern, können jetzt zeigen, dass sie auch auf höchster Ebene bestehen können.

Großartige Voraussetzungen und mit dem Wettkampf in China auch ein Kurs, der endlich mal aus der Norm gerät. Ein kurzer aber knackiger Anstieg am Rad musste achtmal (!) bewältigt werden. Rennentscheidend, vor allem bei den Herren, wie sich zeigen sollte.

Das Herrenrennen

Im Gelben Meer, einem Teil des chinesischen Pazifiks, mussten die Athleten zwei Runden à 750 Meter absolvieren. Matthew Hauser aus Australien, der als Führender der WM-Serie mit der Nummer 1 ins Rennen ging, setzte alles daran, dem Rennen seinen Stempel aufzudrücken und übernahm die Führung. Ihm folgten dicht auf den Fersen die üblichen Verdächtigen, darunter Schomburg (GER) und Luis (FRA).

Besonders spannend wurde es hinter den Favoriten. Die beiden Spitzenathleten aus Paris, Yee (GBR) und Wilde (NZL), überraschten mit einem starken Schwimmen. Olympiasieger Yee, dessen Schwäche bisher eindeutig das Schwimmen war, machte mit seinem Langzeitprojekt „Erste Disziplin“ einen bemerkenswerten Schritt nach vorne. Er stieg als Neunter aus dem Wasser, nur sieben Sekunden hinter Hauser und noch vor dem üblicherweise stärkeren Schwimmer Bergere (FRA).

Wilde folgte nur knapp dahinter und zeigte ebenfalls eine solide Leistung, indem er die 1500 Meter mit der 21. besten Zeit absolvierte. Er lag 16 Sekunden hinter Hauser und acht Sekunden hinter seinem Erzrivalen Yee.

Alex Yee und die erste Disziplin

Dass man auch beim Schwimmen eine Schwäche mit hartnäckiger, guter und wie er selbst es nennt “harter” Arbeit ausmerzen kann, zeigt sich wenn man sich die Mühe macht und die Schwimmrückstände (bei WTCS Rennen über die Standarddistanz) des Paradeläufers über die Jahre verfolgt:

  • August 2019: 1 Minute
  • August 2021: 52 Sekunden (ich nehme an, dass es während Covid auch für Yee nicht einfach war, am Schwimmen adäquat zu arbeiten)
  • Mai bis November 2022: 33 – 39 Sekunden
  • Mai 2023: 15 Sekunden
  • Mai 2024: 13 Sekunden
  • September 2024: 7 Sekunden

Überraschungen auch am Berg

Man dachte, dass die schwierige Radstrecke Hayden Wilde entgegenkommen und er den einen oder anderen Ausreissversuch starten würde, um seinen schärfsten Widersacher zu entkommen. Aber das Gegenteil war der Fall. Schon bei der ersten Runde trennte sich die Spreu vom Weizen, der aus einer elfköpfigen Spitzengruppe bestand. Mit dem Olympiasieger Yee, aber ohne den Silbermedaillengewinner Wilde. Mit dabei unter anderem an der Spitze die Franzosen Bergere und Luis, der deutsche Schomburg, der Brasilianer Hidalgo, sowie der ehemalige neuseeländische Radfahrer Mc Culllough. Der musste sich in Paris noch zurückfallen lassen, um Wilde eine Medaille zu ermöglichen. Heute kämpfte er für sich.

Ein Ausreißversuch von Bergere, Willis (GBR) und Yee in der sechsten der acht Runden blieb genauso unbelohnt wie die übliche “Schomburg Attacke” in der siebenten Runde. Allerdings wurde damit der Abstand zur Verfolgergruppe größer. 1 min 40 waren es am Ende der siebenten, in der zweiten Wechselzone dann noch immer 1 min 23.

Laufentscheidung

Yee lief zwar nicht als Erster aus der Wechselzone, aber schon nach 400m war klar, dass der Olympiasieger auch Weltmeister werden will. 2021 war Kristian Blummenfelt das Gleiche gelungen. Yee läuft derzeit in einer anderen Liga. Mit einer Zeit von 29 min 40 lief er 15 Sekunden schneller als der zweitbeste Läufer und der am Ende siebtplatzierte Wilde und sicherte sich neben einem überlegenen Sieg auch die Poleposition im Rennen um den WM Titel, das am 20. Oktober zur Entscheidung kommen wird. Zweiter Leo Bergere schon 46 Sekunden hinter dem Briten. Die erste Podiumplatzierung ging sich 57 Sekunden hinter Yee für Miguel Hidalgo aus Brasilien aus.

Aus Österreich trat nur Philip Pertl die Reise nach China an. Er wurde mit 7 min 21 Rückstand bei seinem zweiten Rennen auf höchstem Niveau 33. von 35 ins Ziel kommenden Athleten. Vier wurden überrundet, der in den ersten beiden Disziplinen so starke Deutsche Jonas Schomburg stieg beim Laufen aus. Er absolvierte erst letzten Sonntag ein schwieriges Mitteldistanzrennen in San Remo, bei dem er Zweiter wurde.

In der WM Wertung führt Yee nun mit 418 Punkten vor Bergere und über 500 vor Wilde. Der beste Österreicher ist derzeit Alois Knabl als 58.

Die Damen

Gleich vorweg: bei den Damen waren keine Österreicherinnen am Start. Julia Hauser hatte das Rennen, wahrscheinlich auch nach ihrem enttäuschenden Ergebnis bei der EM (Platz 23) nicht in der Planung. Lisa Perterer und Theresa Feuersinger starteten letztes Wochenende bei den Mitteldistanzen in Cozumel und San Remo und konnten dort gute Platzierungen einfahren.

Beim Schwimmen gab es nach den zwei Runden eine überraschend große Gruppe. Die Besten der Besten wussten, dass es bei diesem Rennen ohnedies zu einer Entscheidung am Berg kommen würde und schwammen nicht auf Anschlag. Dennoch war es überraschend, dass ähnlich wie bei den Herren auch hier eine Dame das Schwimmen anführte, deren einzige kleine Schwäche bisher die erste Disziplin war. Lisa Tertsch (GER)  stieg nach 20 min 16 als Erste neben Lena Meißner aus dem Wasser. Doch schon beim Rauslaufen nahm Tertsch ihrer Landsfrau und dem Rest des Feldes fünf Sekunden ab. 26 Damen blieben innerhalb von 16 Sekunden. Unter ihnen die zweite deutsche Goldmedaillengewinnerin aus der Staffel in Paris, Lindemann, die Britinnen Beth Potter und Georgia Taylor Brown.

Beth Potter und die erste Disziplin

Ähnlich wie bei Yee lohnt es sich auch bei seiner Landsfrau Potter die schwimmerische Entwicklung anzusehen. Die Schottin wechselte nach den Spielen von Rio 2016, wo sie als 10 000m Läuferin am Start war, zum Triathlon und ging “all in”. Den Wechsel ins britische Triathlonzentrum in Leeds vollzog sie im Winter 2016, ohne noch ein Rad zu besitzen. Ihr Stärke im Laufen war bekannt, inwieweit sie ihre in der Highschool gewonnene Schwimmerfahrung wieder rauskramen konnte, blieb ein Restrisiko. Hier ihre Entwicklung seit 2019 bezogen auf die Rückstände zur jeweils besten Schwimmerin in WTCS Rennen auf der Standarddistanz.

  • August 2019: 1 Minute 09 Rückstand (in Gruppe mit Julia Hauser und hinter ihr platziert)
  • 2021: Mai 50 Sekunden, Juni: 40 Sekunden, August 44
  • 2022: Mai 22 Sekunden, Oktober 5 Sekunden, November: 37 Sekunden
  • 2023: Mai 38 Sekunden, September 16 Sekunden,
  • 2024: Mai 7 Sekunden bis September 2024: 10 Sekunden, der Anschluss ist geschafft

Trotz einem Auf und Ab sieht man auch bei ihr die eindeutige Verbesserung ihrer Schwimmleistung. Es zeigt auf der einen Seite, dass Rückstände von einer Minute und mehr über die Jahre aufholbar sind und auf der anderen, dass die Briten anscheinend wissen, wie und sie sind nicht die Einzigen.

Das Damenrennen in Weihai

Nachdem die Gruppe gemeinsam zum ersten Anstieg kam, attackierte die Chinesin Lin, aber eine Gruppe von 21 blieb zusammen. Lindemann allerdings musste in der ersten Runde schon 30 Sekunden reißen lassen und gab anschließend, nachdem sie mit ihrer Gruppe Runde für Runde Zeit verlor, auch auf.

Runde für Runde wurde die Spitzengruppe auch ein wenig kleiner. Die Favoritinnen mit den Britinnen Taylor-Brown, Waugh und Potter, den Deutschen Tertsch, Meißner, Neubert oder auch die Olympiasiegerin von Rio Jorgensen (USA) konnten sich allerdings behaupten. Die beiden Chinesinnen auch. Das nicht immer unumstrittene Training von Brett Sutton trägt sichtbar Früchte. In der letzten Runde übernahmen die deutschen Damen die Spitze und versuchten das Feld zu kontrollieren und so kamen 16 Damen praktisch gleichzeitig in die zweite Wechselzone.

Die dritte Disziplin

Ähnlich wie beim Herrenrennen gab es nun auch eine Sportlerin, die von Beginn an zeigen wollte, dass der Sieg über sie führen muss. Lisa Tertsch, in Paris gestürzt und deshalb ohne Einzelmedaille nach Hause gefahren, schlug ein enorm hohes Tempo an (8:02 auf 2,5 km entspricht einem 3:13er Schnitt). Selbst Beth Potter konnte nicht folgen. Nach einer von vier Runden betrug der Vorsprung 12 Sekunden auf Lehair (LUX), Potter und Taylor Brown. Wobei die bekannt starke Sprinterin Lehair die beiden Britinnen nicht weiter halten konnte. In der dritten Runde machte Potter nochmals Tempo und setzte sich von Taylor Brown ab. Sie schien auch den Abstand zu Tertsch zu verringern. In der letzten Runde hatte Tertsch nur mehr sechs Sekunden Vorsprung auf Potter und 20 auf Taylor- Brown. Der Kampf um den Vize WM Titel hinter Olympiasiegerin Beaugrand, die klar in Führung liegt, schien spannend zu werden. Doch während Tertsch ihr Tempo weiter halten konnte, verlor Potter wieder leicht an Boden. Tertsch setzte sich am Ende mit der schnellsten Laufzeit von 33 min 24 vor Potter (33 min 38) und Taylor-Brown durch. Die deutsche Tanja Neubert konnte mit Platz Vier ihr bestes WTCS Resultat erreichen.

In der aktuellen WM Serie führt damit vor dem letzten Rennen Cassandre Beaugrand mit 2750 Punkten vor Potter (2636) und Tertsch (2618). Julia Hauser ist als beste Österreicherin 78.

Lisa Tertsch und ihre Entwicklung

Zum Abschluss noch ein Blick auf die Entwicklung bei der Siegerin des Rennens im Schwimmen und im Laufen. Betrachtet wurden wieder dir Rückstände zur jeweils besten Einzelleistung in WTCS Rennen auf der Standarddistanz

Schwimmen:

  • 2019: 1 min 28 Rückstand
  • 2022 von Juli: 1 min 08 bis Oktober: 22 Sekunden und November: 12 Sekunden Rückstand
  • 2023 von Mai 48 Sekunden bzw 20 Sekunden (es gab im Mai zwei Rennen) bis September 28 Sekunden Rückstand
  • 2024 im Mai 36 Sekunden und 14 Sekunden bis September als Erste aus dem Wasser

Laufen:

  • 2022 Oktober: 1 min 50 Sekunden und November: 3 min 28 Sekunden Rückstand
  • 2023 von Mai 1 min 09 Sekunden bzw 1 min 04 Sekunden (es gab im Mai zwei Rennen)  bis September 27 Sekunden Rückstand
  • 2024 im Mai beste Laufzeit in Yokohama, Cagliari und Weihai

Lisa Tertsch ist 26 Jahre alt und wird in den nächsten beiden Jahre die WM Serie mit Sicherheit mitbestimmen. Wie es bis zu den Spielen in Los Angeles aussieht, kann man noch nicht vorhersagen. Es zeigt sich aber, dass durch Talent und akribische Arbeit eine Menge gut zu machen ist, selbst dann wenn man wie Tertsch in jungen Jahren die Ausbildung vorgezogen hat. Tertsch ist Harvard-Absolventin.

Der Autor ist Gründer und CEO von GDT Sportconsulting. Die Firma betreibt eine Schwimmschule in Wien und Umgebung (www.gdt.at) und bietet individuelle Trainingspläne für jedes Level, sowie Camps und Workshops an (www.triathlonwerkstatt.at). Außerdem ist Gerald Dygryn Performance Coach eines jungen Teams und für den ORF als Experte bei Triathlon Großereignissen tätig

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