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Triathlon ist mehr als – Das WTCS Finale in Torremolinos

Der Blog über die Hintergründe des Elitetriathlons – von Gerald Dygryn

Der Oktober bietet im Triathlon immer die letzten Highlights der Saison. In diesem Jahr ist der Kalender aber so dicht wie noch nie. WTCS Finale in Spanien, T100 in den USA und schließlich die Ironman WM auf Hawaii innerhalb von sieben Tagen. Besser geht’s nicht.

Gut, dass ich mich in meinem Blog nur der höchsten Ebene des Olympischen Triathlons verschrieben habe und mich ganz auf die beiden Abschlussrennen der WTCS in Torremolinos konzentrieren kann. Seit 2009 wird der/die Weltmeister*in nicht mehr in einem einzigen Rennen, sondern durch die gesammelten Punkte bei einer Serie ermittelt. Beim alljährlichen Finale, wo auch Junior*innen- und U23 WM – Titel vergeben werden, gibt es allerdings in der Eliteklasse, die meisten Punkte zu vergeben, womit einem großen Showdown nichts im Weg steht.

Die Voraussetzungen

Selten war es so eng und gerade bei den Damen auch so spannend. Nur Cassandre Beaugrand (FRA) hatte es in der eigenen Hand den Titel zu holen. Platz 1 oder 2 würden reichen, um neben dem Olympiasieg auch den WM Titel zu gewinnen. Ein Kunststück, das 2021 Flora Duffy bisher als einziger Dame und auch bei den Herren bisher nur Kristian Blummenfelt 2021 und Alistair Brownlee 2012 gelang. Dennoch hatten Beth Potter (GB) und Lisa Tertsch (GER) auch noch Chancen, sich zur Weltmeisterin zu küren. Sie mussten dafür jeweils das Finale gewinnen und darauf hoffen, dass Beaugrand nur Dritte würde. Auch Beaugrands Landsfrau Emma Lombardi hatte noch rechnerisch Chancen.

Bei den Herren hatte Olympiasieger Alex Yee einen großen Vorsprung auf den Titel, doch nach der verrückten Entscheidung 2023, als er mit dem 30. Platz beim Finale in Pontevedra den Titel noch an Dorian Conninx verlor, wusste er, dass er bis zum Schluss kämpfen werde. Mit im Titelrennen waren vor allem seine Podiumsnachbarn aus Paris, Hayden Wilde (NZL) und Leo Bergere (FRA).

Die Österreicher*innen

Vier Österreicher*innen waren in Spanien abseits der vielen fleißigen Age Group-Athlet*innen am Start. Tabea Huys wurde bei den Juniorinnen, nachdem sie sich beim Schwimmen und Radfahren an der Spitze mit behaupten konnte, 16. Linda Hehenwarter, die sich im Wasser auch noch gut geschlagen hatte, aber am Rad dem starken Antritt von unter anderem Huys und der Ungarin Szalai nicht folgen konnte, 23. Jan Bader wurde im U23-Rennen 22. und der einzige Elite Starter Tjebbe Kaindl beendete das Rennen nach gutem Schwimmen und Radfahren – siehe Bericht unten – mit aber doch deutlichem Rückstand beim Laufen (33:16 zu 29:29 von Sieger Wilde) als 35.

Das Damenrennen

Rauhe See wie man sie selten bei Elite Rennen beobachten konnte mit meterhohen Wellen und Wind prägte die zwei Runden der ersten Disziplin und schien nach der ersten auch rennentscheidend zu sein, hatte doch die große Favoritin Beaugrand schon 30 Sekunden Rückstand. Doch irgendwie schaffte sie es sich zurückzukämpfen und am Ende der 1500 m langen Strecke mit nur 15 Sekunden Rückstand auf die Italienierin Seregni und die Deutsche Meißner aus den Fluten zu steigen. Mit vorne dabei unter anderem auch Lombardi und Potter, wie Lehair (LUX) und die wieder erstarkte Weltmeisterin 2018 und Bronzemedaillengewinnerin in Rio Vicky Holland (GBR).

Den Anschluss auf die besten Schwimmerinnen verloren hatten allerdings überraschend die starken Britinnen Waugh und Taylor-Brown, Gwen Jorgensen (USA) und Lisa Tertsch. Während die Verfolgerinnen in der ersten Radrunde noch 15 Sekunden gut machen konnten, war das restliche Radfahren davon geprägt, dass vorne enormes Tempo gemacht wurde, während hinten die Gruppe zu groß erschien, als dass sich eine positive Dynamik entwickeln hätte können. Mehr und mehr Zeit konnte die Spitzengruppe gewinnen und spätestens ab der Hälfte der Radstrecke war klar, dass für Tertsch der WM – Titel in weite Ferne gerückt war. Da aber auch Lombardi vorne gut platziert war, wackelte sogar das Podium. Überraschend war daher, dass die Deutsche Lena Meißner in der Spitzengruppe am Rad aufopfernd kämpfte und jedes Mal wieder das Tempo verschärfte, anstatt Tertsch mit ihrer Radstärke zu helfen und sich zurückfallen zu lassen oder zumindest das Tempo zu verschleppen, wie wir es bei den Olympischen Spielen bei anderen Nationen beobachtet hatten. Indem sie viel dazu beitrug, dass der Vorsprung nach den 40 km um die 1:30 Minuten lag, verpasste sie ihrer Landsfrau sprichwörtlich den Todesstoß. Der letzte Podiumsplatz der Deutschen bei der WM Serie liegt mit dem Bronzeplatz von Anne Haug elf Jahre zurück. Es verwunderte also, dass es da aus Sicht der DTU keine Stallorder gab, was Lena Meißner auch so bestätigte.

Diesen Gedanken musste man sich an der Spitze nicht machen. Beaugrand dachte nicht eine Sekunde daran, es auf Glück, Zufall oder einen Sprint ankommen zu lassen. Ab Mitte des Laufes setzte sie die entscheidende Spitze gegenüber dem Führungsquartett mit Lehair, Potter und Lombardi. Nur Lombardi ging vorerst mit. Lehair, eine Spezialistin für sehr schnelle kurze Läufe, fiel wie meistens zurück, während Potter sich am Ende zurückkämpfte und nach einem fulminanten Sieg der französischen Olympiasiegerin, sich den zweiten Platz beim Rennen und in der WM Serie sicherte. Emma Lombardi vervollständigte das Podium ebenfalls in beiden Bewerben und schaffte es tatsächlich, Lisa Tertsch noch vom Bronzeplatz bei der WM zu verdrängen. Diese lief – mehrheitlich im Windschatten von der davon genervten Französin Periault – mit der zweitbesten Laufzeit auf Platz sieben. Am WM Titel Beaugrands hätte sie also so oder so nichts verändern können. Das WM Podium wurde hingegen durch die Probleme beim Schwimmen und wenig Hilfe aus den eigenen Reihen vergeben. Interessant auch die Tatsache, dass sich dieses nur dadurch vom olympischen unterschied, indem Julie Derron (SUI) fehlte, weil sie sich nach Olympia Richtung T100 verabschiedet hatte. Ansonsten ist es sogar in der Reihenfolge ident. Cassandre Beaugrand bestritt 2024 vier Rennen auf höchster Ebene. Drei bei den WCTS Rennen und eines in Paris. Und in allen blieb sie ungeschlagen. Was für ein Jahr für die 27-jährige Französin.

Die Herren

Wie bei den Damen war auch bei den einen Tag später startenden Männern das Tragen des Neoprenanzugs erlaubt. Das Wasser erwies sich allerdings als wesentlich gnädiger und ruhiger. Hauser (AUS) und Silva (POR) bestimmten die Pace. Die Dichte bei den Herren ist allerdings sehr beeindruckend, lagen doch zwischen Platz 1 und 30 nur 15 Sekunden. Auch wenn der Vergleich hinkt, weil kein Wasserschattenschwimmen erlaubt ist, so lagen im Finale bei den Olympischen Spielen von Paris über 1500m Freistil immerhin 22 Sekunden zwischen Platz 1 und 8. 1min20 sogar bei den Vorläufen zwischen Platz 1 und 22.

Von den drei Titelanwärtern waren Bergere und überraschend auch Wilde innerhalb dieser Top 30, Yee mit 21 Sekunden Rückstand als 34. hingegen nicht.

Die rennentscheidende Szene kam dann aber schon in Runde 1 am Rad. Richtige Champions packen die Situation am Schopf und so attackierten kurz vor Zusammenschluss der beiden ersten Gruppen Bergere und Wilde erbarmungslos. Nur Westermann (SUI) und Reid (NZL) gingen mit und Luis (FRA) schaffte es mit einer enormen Kraftleistung auch kurz vor Ende der ersten Runde das Quartett, das dadurch zum Quintett wurde zu erreichen.

Der Österreicher Kaindl versuchte es mit seinem Antritt wahrscheinlich um ein paar Sekunden zu spät, aber allein gab es keine Chance den perfekt funktionierenden Zug an der Spitze noch einzuholen. Nur sechs Kilometer nach dem Antritt betrug der Vorsprung schon beinahe 30 Sekunden. Die fünf an der Spitze praktizierten den belgischen Kreisel genauso perfekt wie ein Tour de France-Team beim Mannschaftszeitfahren. Eng hintereinanderfahrend, klare Ablösen, keiner ließ aus. Nach Mitte des Rennens betrug der Vorsprung 52 Sekunden. Wieder versuchte Kaindl einen Angriff zu lancieren, doch sofort waren zwei Franzosen an seiner Seite, die alles unternahmen, um Bergere beim Projekt „WM Titel“ zu unterstützen und Yee ja nicht nach vorne zu bringen. Ein anderes Bild wie beim Damenrennen also.

Die fünf blieben bis zum Schluss zusammen und auf Zug und kaum in den Laufschuhen machten Wilde und Bergere dort weiter, wo sie am Rad aufhörten. Mit unglaublichem Druck. 1:36 Minuten war der Vorsprung am Ende des Radparts. Der viel arbeitende Tiroler Kaindl ließ es sich nicht nehmen als Erster der Verfolgergruppe in die Wechselzone einzufahren. Was verspielt und nicht wichtig erscheint, kann aber schon Auswirkungen haben, da man dadurch beim Wechsel selbst, besonders am Weg zum Wechselplatz, viel weniger gestört wird. Außerdem macht man sich sichtbar und schafft sich Respekt im Feld.

Fantastische Laufleistungen

Wilde setzte sich genauso Schritt für Schritt von Bergere ab, wie Yee vom Rest des hinteren Feldes. Wieder kam es also zum Duell der beiden aktuell besten Kurzdistanzsportler unseres Planeten. Diesmal blieb es aber beim Fernduell. Hayden Wilde lief zwar mit 29:29 Minuten „nur“ die drittbeste Laufzeit (Milner (GB): 28:47!!!), überquerte aber mit einem Vorsprung von 1:02 Minuten auf Bergere in dem wahrscheinlich ausgeglichensten Rennen seines Lebens als Erster die Ziellinie. Alex Yee wurde trotz des Radrückstandes durch die zweitbeste Laufzeit (29:17 min) noch Dritter und sicherte sich damit den WM – Titel vor Bergere und Wilde. Hier exakt das gleiche Podium wie in Paris, aber in anderer Reihenfolge. Wie stark die Leistung Wildes an dem Tag einzuschätzen ist, belegt auch die Tatsache, dass seine Fluchtgefährten auf den abschließenden 10 km mindestens eine Minute (Bergere), Reid, Luis und Westermann sogar zwischen 1:48 bis 2:15 Minuten verloren.

Zu den Ergebnissen

Herren

Damen

Resümee

Einmal mehr muss man sagen, dass sich die Sportart 2024 wieder enorm, sicher auch Dank der Olympischen Spiele, weiterentwickelt hat. Auf der einen Seite ist die Entwicklung der Leistungsdichte bei den Damen hervorzuheben. Auf der anderen Seite die wirklich großartigen Einzelleistungen der Athlet*innen. Aber auch die Leistungen von Taylor Knibb, Julie Derron und Flora Duffy, sowie Jelle Geens, Martin Van Riel und Justus Nieschlag beim T100 in Las Vegas waren sportlich auf einem wirklich schweren Kurs extrem hoch einzuschätzen. Das zeigt, dass in Zukunft auch im T100 und im Mitteldistanzbereich die Leistungen immer besser werden. Einer der dazu beitragen wird ist mit Sicherheit einer der ganz Großen des Olympischen Sports. Vincent Luis hat nach dem Finale das Ende seiner Kurzdistanz Karriere bekannt gegeben und will sich in Zukunft der T100 Serie und anderen Mitteldistanzrennen zuwenden. Der Franzose war zweimaliger Weltmeister (2019 und 2020), nahm dreimal bei Olympischen Spielen teil und konnte dabei in Tokio in der Staffel auch eine Bronzemedaille holen. Er wird sicher auch auf der Mitteldistanz neue Maßstäbe setzen.

Persönliches zum Ende

Natürlich würde ich mir als Fan und intensiver externer Betrachter wünschen, dass in Zukunft auch Österreicher*innen mehr in der großen Liga mitspielen. Förderungen sind da und Nationen wie die Schweiz, Norwegen, Ungarn und andere zeigen, dass es weder auf die Größe noch auf soziale Umstände ankommen kann. Auch wenn organisatorisch, auf Amateurebene und im Nachwuchsbereich in den letzten Jahren wirklich viel passiert ist. International fehlt der Anschluss nach ganz oben.

Bezogen auf World Triathlon bin ich der Meinung, dass man die Sportart auf olympischem Niveau durch andere Formate (kürzer, öfter hintereinander, Eliminationraces, usw.) sicher noch attraktiver und publikumswirksamer machen kann. Das Streichen der Bezeichnung „Weltcup“ für Rennen der zweiten Liga und ein klareres Aufstellen der WM-Serie auf der Langdistanz (T100), wären genauso große Schritte in Richtung Transparenz dem Publikum gegenüber. Auch bei der Langdistanz Serie sollten immer die Besten der Besten gegeneinander antreten und nicht zum Ende hin 12 Wildcards vergeben werden. Schließlich könnte noch Zeit und Geld in Medienarbeit fließen, um Übertragungen abseits unüberschaubaren Livestreams hin zu großen Fernsehsendern zu gewährleisten.

Mein Blog über die großen Rennen auf der Olympischen Distanz geht damit für 2025 zu Ende. Ich werde euch aber gerne weiterhin im Blog „Triathlontools“ mit Tipps und Tricks für die Vorbereitung auf die kommende Saison begleiten. Schaut euch auch gern unsere Coaching Pakete an. Wir haben interessante neue Coaches an Bord, die noch einen Spot haben. Oder kommt auch gern mal auf eines unserer Camps mit. Es wird euch mit Garantie enorm weiterbringen.

Bleibt mir nur euch ein schönes Hawaii – Wochenende zu wünschen. Mein Tipp: Kristian Blummenfelt, who else? Aloha aus Kona!

Der Autor ist Gründer und CEO von GDT Sportconsulting. Die Firma betreibt eine Schwimmschule in Wien und Umgebung (www.gdt.at) und bietet individuelle Trainingspläne für jedes Level, sowie Camps und Workshops an (www.triathlonwerkstatt.at). Außerdem ist Gerald Dygryn Performance Coach eines jungen Teams und für den ORF als Experte bei Triathlon Großereignissen tätig

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